Veranstaltungen von Prof. Dr. phil. Hans-Jürgen Bömelburg
[P Si] Der Tambora-Ausbruch und das Jahr ohne Sommer: Eine globale Katastrophe und Europa
regelmäßiger Termin ab 22.04.2025 | ||
wöchentlich Di. 08:00 - 10:00 Uhr | Phil. I, D 209 | |
nächster Termin: 08.07.2025 Uhr, Raum: Phil. I, D 209 |
Am Beispiel von Klima-, Katastrophen- Umwelt- und Kommunikationsgeschichte möchte das Proseminar Einsichten in die Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts geben. Der Tamboraausbruch blieb zeitgenössisch weitgehend unbemerkt, er löste jedoch eine Subsistenzkrise und gesellschaftliche Erschütterungen aus: Schwerpunkte sind:
1) Die Realgeschichte des Ausbruchs in Südostasien und die Nachrichten in Europa;
2) die Klimageschichte des Jahrzehnts nach 1815 sowie grundsätzlich die Frage nach der Reichweite von Klimageschichte;
3) Subsistenzkrise und Migrationsgeschichte – etwa die Entstehung und Ausbreitung der deutschen Siedlungen in Zentralpolen und Bessarabien;
4) Gesellschaftliche Verwerfungen und antijüdische (antisemitische?) Ausschreitungen.
Einführende Literatur
Wolfgang Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer: Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte. München 2015.
[P Si] Migration, Integration, Konflikte: Vertriebene und Spätaussiedler in Deutschland (Schwerpunkt Hessen)
regelmäßiger Termin ab 22.04.2025 | ||
wöchentlich Di. 16:00 - 18:00 Uhr | Phil. I, G 333 | |
nächster Termin: 08.07.2025 Uhr, Raum: Phil. I, G 333 |
Evakuierte, Flüchtlinge, Ausgewiesene, Displaced Persons, SBZ-Flüchtlinge, „Nationaltschechen“ – das sind nur einige der Gruppen, die in einem einzigen hessischen Dorf in der Nachkriegszeit einquartiert wurden. Einige von ihnen blieben wenige Wochen bis Monate, andere Jahre und nicht selten wurde dieses hessische Dorf sogar zum dauerhaften Wohnort, zur neuen Heimat. Obwohl jeder eine ähnliche materielle Ausgangsbedingungen hatte, war die rechtliche Stellung dieser Gruppen so unterschiedlich, dass die Einordnung oftmals schon darüber bestimmte, wer gehen durfte und wer bleiben musste. Denn eine Zukunft in diesem Dorf sah kaum jemand für sich.
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem damit verbundenen Potsdamer Abkommen, mit dem die Vertreibung von deutscher Bevölkerung aus dem östlichen Europa letztlich besiegelt wurde, erscheint es sinnvoll, sich näher mit der Aufnahme von Vertriebenen in Deutschland zu beschäftigen. Das Proseminar will verschiedene Aspekte dieses Kapitels der Nachkriegsgeschichte und unser Wissen darum untersuchen: Wie und woher kamen die Vertriebenen, aber auch die anderen Gruppen nach Deutschland und nach Hessen? Wie lebten sie in dieser neuen Umgebung und wo arbeiteten sie? Wie gestaltete sich ihr Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung, ihre Eingliederung in bestehende Institutionen und ihre Interaktionen mit der Verwaltung? Anhand von unterschiedlichen Quellenmaterialien aus Landes- und Lokalarchiven, die bereits im Vorfeld erhoben wurden, werden sich die Teilnehmenden zusammen ein Verständnis der deutschen Nachkriegsgesellschaft erarbeiten. Unter anderem soll analysiert werden, welche hessischen Spezifika sich herausbildeten (z.B. „Hessenplan“), welches materielle und kulturelle Erbe die „Neubürger“ mitbrachten und was sich davon bis heute erhalten hat. Daneben sollen gängige Thesen rund um den Themenkomplex Flucht und Vertreibung kritisch geprüft und gegebenenfalls neu bewertet werden, um auch die Kontakte und Berührungspunkte der Gruppen untereinander erforschen und Bezüge zu anderen Migrationsprozessen herstellen zu können.
Das Proseminar wendet sich an Studierende, die praktisch arbeiten möchten und auch Interesse an Archivarbeit haben. Vorgesehen ist auch ein Besuch in der Bibliothek und der Dokumentensammlung des Herder-Instituts, wo zahlreiche Materialien liegen.
[Vl] Polen, das heißt nirgendwo“? Globalgeschichte einer ostmitteleuropäischen Nation 1772-2025
regelmäßiger Termin ab 24.04.2025 | ||
wöchentlich Do. 16:00 - 18:00 Uhr | Phil. I, A 3 (Hörsaal) | |
nächster Termin: 10.07.2025 Uhr, Raum: Phil. I, A 3 (Hörsaal) |
„Polen, das heißt nirgendwo?“ Oder überall? Das Eingangszitat aus Afred Jarrys (1873-1907) grotesk-komischem Drama „König Ubu“ (Roi Ubu, 1896) fasst die Probleme der polnischen Geschichte im langen 19. Jahrhundert zusammen: Aufgrund der Teilungen Polen-Litauens gab es keinen polnischen Staat. Im 20. und 21. Jahrhundert veränderte Polen mehrfach seine Lage und seine Systemzugehörigkeit.
Wie also eine moderne Geschichte Polens darstellen? Aus dem deutschen Blickwinkel wird Polen oft als „kleiner Nachbar“ im Osten wahrgenommen, das Wissen ist sehr begrenzt und oft auf angeblichen Nationalismus und Katholozismus reduziert. Tatsächlich handelt es sich Fall Polens aber um eine migrationsintensive Reichsgeschichte, die ganz Europa umfasst, ja sogar seit ihrer Entgrenzung durch die Teilungen in die ganze Welt ausgreift. Die Vorlesung möchte diese Globalgeschichte plastisch darstellen und Forschungsprobleme benennen.
Wussten Sie warum die „Pulaski barracks“ in Wiesbaden nach einem polnischen Nationalheros benannt wurden? Was polnische Truppen auf Haiti anstellten? Warum der höchste Berg Australiens lange Zeit „Mount Kościuszko“ hieß? Warum polnische Kolonien in Brasilien geplant wurden? Warum polnische Bergsteiget gerade im Winter unter zahlreichen Opfern die höchsten Berge des Himalayas besteigen wollten? Wie die Ereignisse in Polen und China am 4. Juni 1989 die Weltgeschichte des 21. Jahrhunderts prägen?
Methodisch-systematisch widmet sich die Vorlesung zwei Problemen: Erstens wird eine Globalgeschichte oft nur für maritime Mächte und Imperien geschrieben, was Zugänge zu den tatsächlichen Faktoren einer Globalgeschichte versperrt. Die Vorlesung entwickelt dagegen Konturen einer Globalgeschichte ostmitteleuropäischer Gesellschaften am Beispiel Polens. Dies bedeutet gerade für ein deutsches Publikum zweitens einen neuen Blick auf die Geschichte Polens, was angesichts der Reaktualisierung des Weimarer Dreiecks in Deutschland umso notwendiger ist.
Erwünscht sind neugierig-phantasievolle Teilnehmer, nach Sinneinschnitten ist jeweils eine Diskussion erwünscht!
[H Si] Preußen – eine vergessene europäische und deutsche Geschichte
regelmäßiger Termin ab 24.04.2025 | ||
wöchentlich Do. 10:00 - 12:00 Uhr | Phil. I, G 333a | |
nächster Termin: 10.07.2025 Uhr, Raum: Phil. I, G 333a |
Die Geschichte Preußens ist in Deutschland und insbesondere in Hessen weitgehend vergessen. Sie prägt jedoch durch die Entstehung eines spezifischen Entwicklungsweges mit besonderer Akzentuierung von Militarismus und Bürokratie die deutsche und europäische Geschichte des 18.-20. Jahrhunderts.
Das Hauptseminar möchte diese vergessene Geschichte Preußens in all ihren verschiedenen Facetten aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts neu vorstellen. Schwerpunkte können nach den Interessen der Seminarteilnehmer gewählt werden, gesetzt sind Militär und Sozialdisziplinierung, Wissens- und Kulturgeschichte („Kulturstaat Preußen“), Preußen und Osteuropa / Polen.
Geplant ist eine Exkursion, entweder in das einzige deutsche staatliche Preußenmuseum in Minden/Westfalen oder in das private Museum in Wustrau bei Neuruppin.
Erwünscht ist Forschungsinteresse, gerade die aktuell wenig beforschte Geschichte Preußens bietet viel Möglichkeiten.
Einführende Literatur
Hans-Jürgen Bömelburg, Andreas Lawaty, Preußen. Deutsche Debatten 18. – 21. Jahrhundert. Eine Anthologie. Stuttgart 2018.